Kaki als Herbstsymbol im klassischen japanischen Haiku

Kaki als Herbstsymbol im klassischen japanischen Haiku

In Japan ist die Kaki (柿) weit mehr als nur eine Frucht. Sie ist ein poetisches Manifest, ein Symbol für Herbst, Reife und Vergänglichkeit – und manchmal auch für Einsamkeit. Anders als die vielzitierten Kirschblüten blüht die Kaki spät. Das hat Konsequenzen:

Wenn im Herbst die Blätter längst gefallen sind, hängen die goldorangen Früchte noch an den kahlen Zweigen – ein letzter Gruß der Natur vor dem Winter. In Deutschland, Österreich und der Schweiz kennen wir die Kaki (auch als Sharon oder Persimone) vor allem aus dem Supermarkt, aber kaum in dieser herbstlichen Stille.

Man könnte auch sagen, was bei uns der Kürbis für den Herbst ist, ist in Japan die Kaki: dieselbe Farbe, dieselbe Jahreszeit – und doch ganz anders im Wesen.

Santōka liebte sie, Shiki konnte nicht genug von ihnen bekommen, und Kyorai lebte gar in der „Hütte der fallenden Kakis“, wie er sein Zuhause nannte.

Getrocknete Kaki –
hinter dem Badehaus,
vor dem Schuppen.

Masaoka Shiki (1867–1902)


Kaki pflücken –
eiskalte Kleinodien
im Herbstwind.

Ryokan Taigu (1758–1831)

Die eiskalten Kleinodien bewahren die Doppeldeutigkeit des Gedichts. Denn einerseits können damit die glänzenden Kakis gemeint sein, andererseits deutet es auf eine humorvolle, körperliche Interpretation hin, nämlich die Hoden des dichtenden Mönchs, die er bei der Ernte dem harschen Wetter aussetzen musste. 🍊🍊


Kaki-Blätter!
Auf jedem einzelnen
der Mondschein.

Sōseki Natsume (1867–1916)


das junge Laub
des Kakibaums leuchtet –
ich bin noch da

Taneda Santōka (1882–1940)


die Süße
der reifen Kaki –
Großmutter steht vor mir

Taneda Santōka (1882–1940)

Haiku? Wenn du Haiku zum ersten Mal liest, kannst du sie einfach auf dich wirken lassen. Klassische Haiku sind immer:

– authentisch, nicht nachgemacht
– wirksam, wie Medizin, aber voller Poesie
– traditionsverbunden, aber nie museal
– zeitlos, jedoch nicht verstaubt

Probiere den Haiku-Deuter (mit KI). Für mehr Hintergrund und Tipps zur Anwendung im Alltag gibt es weiterführende Seiten:

Was ist ein Haiku?
Was ist das Geheimnis der Haiku?


zurückgelassen
zwei drei vollreife Kaki –
Wolken ziehen vorüber

Taneda Santōka (1882–1940)


Herr der Kakis –
nah sind die Wipfel
des Arashiyama.

Dieses Haiku ist ein Selbstporträt in Kyorais typischem lakonischen Ton. Der Vers verbindet persönliche Identität (der Mann mit den Kakis) mit der landschaftlichen Umgebung, fast wie ein literarischer Adressstempel.

Mukai Kyorai (1651-1704)


vom Mond herab
segelt ein
Kakiblatt

Taneda Santōka (1882–1940)


Alleinreisen –
eine unreife Kaki gegessen,
wer sieht nun das Gesicht?

Hattori Ransetsu (1654–1707)


ein Brief kam –
danach fallen nur noch
die Blätter des Kakibaums

Autor: Taneda Santōka


Eine Kaki
ist heruntergefallen –
plattgedrückt vergeht der Herbst.

Yokoi Yayu (1702-1783)


Fragt man nach dem Alter –
die Kakis von Saga
sind meine Antwort.

Mukai Kyorai (1651-1704)

Kyorai beantwortet die Frage nach seinem Alter nicht direkt, sondern weist auf die späten Kakis von Saga – Sinnbild des Lebensherbstes. Wie diese Früchte spät im Jahr reifen, so sieht er sich selbst: alt, aber leuchtend und genießbar. Darin liegt Stolz und leise Ironie – gereift, nicht welk. Eine poetische Altersangabe in Form eines Jahreszeitenbildes, vergleichbar mit dem Satz: Ich bin wie die letzten goldenen Äpfel im Oktober.

Kaki als Herbstsymbol im klassischen japanischen Haiku

Die Grafiken wurden von DALL-E und dem Microsoft Designer via Bing generiert.

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Übersetzerhinweis

Wie ich übersetze

Die Übersetzungen stammen von Lenny Löwenstern. Jede Zeile wurde sorgsam bearbeitet – nicht automatisch, sondern mit modernen Werkzeugen. Ziel war, das Wesen der japanischen Originale zu bewahren – in einer Sprache, die heute berührt.

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