
Seegurkengedichte, wer käme außerhalb Japans auf so eine Idee? Ein schleimiges, unscheinbares Meerestier, ohne erkennbare Form, ohne Stimme, ohne Ausdruck – und doch Gegenstand poetischer Betrachtung seit Jahrhunderten.
In der japanischen Dichtung ist die Seegurke (海鼠, namako) kein Kuriosum, sondern ein Prüfstein für genaues Hinsehen. Gedanken kann man sich schließlich über alles machen.
Während westliche Poesie lange Schönheit, Erhabenheit oder Dramatik suchte (heute natürlich nicht mehr), erkannte das Haiku die Würde des Gewöhnlichen. Selbst das formlose, fast lächerliche Lebewesen im Sand verdient Aufmerksamkeit.
Dichter wie Tan Taigi, Masaoka Shiki oder Kawahigashi Hekigotō sahen in ihm ein Sinnbild für das stille, unbewegte Leben – für Einfachheit, Geduld, Dasein ohne Aufruhr.



