
Was wäre das japanische Haiku ohne Sake? Gäbe es womöglich gar nicht. Wenn nicht Dichter unterm Mondlicht in klaren Nächten zum Krug gegriffen hätten … Hier sind einige trinkfeste Exemplare aus jener alten Zeit, verfasst von den noch immer bewunderten Größen des Genres.
Fuji am Morgen –
der Neujahrssake wartet
an meinen Lippen.
Kobayashi Issa (1763–1828)
Der erste Schnee –
im Sake-Laden
liegt das Glück gleich nebenan.
Kobayashi Issa

Meine Heimat –
auch wenn der Sake nichts taugt,
Buchweizen blüht.
Yosa Buson (1716–1784)
Abschied unterm Mond –
der Sake ist kalt
und stark.
Kawahigashi Hekigotô (1873–1937) ↬ die Wikipedia weiß mehr über ihn
Lumpen verscherbelt,
Sake gekauft –
und trotzdem einsam?
Taneda Santoka (1882–1940)

ein Schluck
Sake jetzt …
roter Abendhimmel
Taneda Santoka
ich kann vom Sake nicht lassen –
die Bäume schlagen aus
das Gras grünt
Taneda Santoka
↬ Gehen, Trinken, Zen – Haiku von Taneda Santoka
ein großartiges Gasthaus –
ringsum Berge
und davor ein Sake-Laden
Taneda Santoka
Hundert Meilen weit der Frost
vom Sake temperiert –
gehört der Mond jetzt mir.
Yosa Buson
Im Original spricht Buson von hundert Ri, das ist eine alte japanische Maßeinheit, etwa 392 km), sie ist hier als große Weite zu verstehen.
Neblige Nacht –
der Sake strömt hinab,
Mond und Wasserfall vereint.
Kobayashi Issa
Ein Gedicht über das Saketrinken. Dieses Haiku beschreibt nicht nur einen Moment, sondern eine Erfahrung, eine Verschmelzung von Wahrnehmung, Rausch und Natur. Trinker und Getränk werden eins.

Dunkle Nacht –
nach und nach ertaste ich
den Flaschenkürbis.
Kobayashi Issa
Der Kürbis ist so etwas wie eine Wasserflasche, nach der Issa in der Nacht griffelt. Leicht, billig, weit verbreitet. Getrocknet und ausgehöhlt ist er eine natürliche Wasserflasche oder für Sake. Ideal für Reisen oder für die Nacht, weil er robust und tragbar war
Kein Sake,
kein Gedicht –
Mondstille.
Soseki Natsume (1867–1916)
Ist es eine Feststellung? Eine resignierte Einsicht? Oder ein humorvolles Eingeständnis?
Glühwürmchen, komm!
Komm, Glühwürmchen!
Soll ich allein trinken?
Kobayashi Issa
Eine Neige Sake
am Boden der Flasche –
die Kälte der Nacht.
Soseki Natsume
Blauer Ozean,
die Wellen riechen nach Sake –
der Mond heute Abend …
Matsuo Basho

Werkstattbericht
Die Grafiken wurden von DALL-E und dem Microsoft Designer via Bing generiert.
Wie ich übersetze
Die Übersetzungen stammen von Lenny Löwenstern. Jede Zeile wurde sorgsam bearbeitet – nicht automatisch, sondern mit modernen Werkzeugen. Ziel war, das Wesen der japanischen Originale zu bewahren – in einer Sprache, die heute berührt.