
Mach es dir leicht, denn das Leben ist schwer genug. Haikulesen ist eine kleine Erfrischung für Zwischendurch. Das geht immer. Kannst du überall machen. Diese hier haben zwar kein gemeinsames Thema, aber sie heben uns ein stückweit hoch. Immer geht es um einen Moment des Loslassens, des Schwebens, des Nicht-Gebundenseins.
Diese Haiku erinnern uns daran, dass Leichtigkeit nicht das Gegenteil von Tiefe ist – sondern vielleicht ihre feinste Form. Sie ist die Kunst, da zu sein, ohne zu haften. Wahre Freiheit. Wie ein Windzug am Rand des Sommers. Wie ein Drachen, der hoch genug steigt, um aus dem Blick zu verschwinden – und uns in unserer Fantasie mitnimmt.
Hier sind 10 Haiku, die dir helfen loszulassen. Warum am Boden kleben bleiben, wenn du hoch hinaus kannst?
Weiße Papierdrachen
treiben vorüber –
Abenddunst.
Tan Taigi (1709–1771)
Die Schnur reißt –
und zu einer Wolke
wurde der Drachen.
Uejima Onitsura (1661–1738)
Diese Welt –
ein leichtes Herz, wie
ein hellblauer Schmetterling.
Kobayashi Issa (1763–1828) ↬
Die Schwalbe im Nest
kümmert sich nicht um
die Frühlingsberge.
Eine augenzwinkernde Version:
Der Schwalbe in ihrem Nest
sind die grünen Hügel
piepegal.
Zwei Lesarten, ein Bild – die eine still und beobachtend, die andere augenzwinkernd und lebendig. Ganz wie die Schwalbe selbst: mal in sich gekehrt, mal flink und flatternd. Und genau darin liegt vielleicht auch Issas wahre Kunst – dass seine Haiku beides aushalten. Issa – gewiss der kauzigste unter den großen Haikuisten, ein Beobachter mit Herz und Träne zugleich.
Kobayashi Issa
Haiku? Wenn du Haiku zum ersten Mal liest, kannst du sie einfach auf dich wirken lassen. Klassische Haiku sind immer:
– authentisch, nicht nachgemacht
– wirksam, wie Medizin, aber voller Poesie
– traditionsverbunden, aber nie museal
– zeitlos, jedoch nicht verstaubt
Probiere den Haiku-Deuter (mit KI). Für mehr Hintergrund und Tipps zur Anwendung im Alltag gibt es weiterführende Seiten:
↬ Was ist ein Haiku?
↬ Was ist das Geheimnis der Haiku?
Der Sommer hebt an –
am Kleidergerüst wechselt
der Wind die Farbe.
Besonders im Sommer, wo Kimonos aus helleren, durchlässigen Stoffen getragen werden (Leinen, Gaze, feine Seide), könnte man sich vorstellen, dass der Wind durch sie hindurchweht und dabei etwas von ihrer Farbe mitnimmt – nicht in der Wirklich, sondern als Vorstellung. Das erinnert an ein ästhetisches Prinzip in der japanischen Dichtung: → Nicht das Ding selbst, sondern das, was zwischen dem Ding und dem Betrachter geschieht, ist der eigentliche poetische Moment.
Yokoi Yayu (1702-1783) ↬
Als Tanzhonorar lasse ich
ein Stück Papier für sie fliegen –
Wiesenschmetterlinge.
Kobayashi Issa
Herbstberge –
still ziehen die Wolken
vorüber.
Sōseki Natsume (1867–1916)
Der Futon –
sanft und schwebend
ein Traum von Zuhaus.
Taneda Santōka (1882–1940) ↬
Auf freiem Feld –
an nichts gebunden
singt die Lerche.
Matsuo Bashō (1644–1694) ↬
Die Last des Lebens
abgelegt –
Mittagsschlaf!
Masaoka Shiki (1867–1902) ↬
Die Grafiken wurden von DALL-E und dem Microsoft Designer via Bing generiert.

Übersetzerhinweis
Wie ich übersetze
Die Übersetzungen stammen von Lenny Löwenstern. Jede Zeile wurde sorgsam bearbeitet – nicht automatisch, sondern mit modernen Werkzeugen. Ziel war, das Wesen der japanischen Originale zu bewahren – in einer Sprache, die heute berührt.