Auf den Spuren der Haiku-Meister: Wie man im alten Japan wirklich reiste

Reisen im alten Japan mit Haiku

Stell dir vor, du müsstest für eine Reise von Berlin nach München nicht nur deinen Pass, sondern auch eine detaillierte Beschreibung deiner Gesichtszüge, deiner Körpergröße und sogar deiner Kleidung mit dir führen. Genau das war Alltag im Japan der Edo-Zeit (1603-1868) und noch später, als die großen Haiku-Dichter das Land durchwanderten.

Was uns heute als romantische Pilgerfahrt erscheint – der einsame Dichter auf staubigen Pfaden, inspiriert von Kirschblüten und Mondlicht – war in Wahrheit ein hochorganisiertes Unterfangen in einem der am besten dokumentierten Reisesysteme der vormodernen Welt.

Wenn Dichter zu Wanderern werden

Die Realität des Reisens zur Zeit von Matsuo Bashō, Yosa Buson und Kobayashi Issa unterschied sich fundamental von unseren verklärten Vorstellungen. Es war eine Welt, in der man für 500 Kilometer zu Fuß zwei Wochen brauchte, in der Strohsandalen nach einem Tag verschlissen waren und in der eine einzige Reise den Gegenwert eines halben Jahreseinkommens verschlingen konnte. Siehe auch: Wandern & Haiku: 20 kraftvolle Kurzgedichte für Naturliebhaber

Das Straßennetz: Japans Lebensadern

Im Zentrum des japanischen Reisesystems standen die fünf Hauptstraßen, die »Gokaidō«. Alle begannen an einem einzigen Punkt: der Nihonbashi-Brücke im Herzen von Edo, dem heutigen Tokyo. Von dort aus verzweigten sie sich wie die Finger einer Hand in alle Himmelsrichtungen.

Reisekosten im Detail (86 Tage)
Gesamtkosten: 35.771 mon
Heutiger Wert: ~12.000-15.000 USD
Reisender: Bauer Tanaka Kunisaburō

Der berühmteste dieser Wege war der Tōkaidō, die »Östliche Meerstraße«. Mit seinen 495,5 Kilometern und 53 Poststationen verband er Edo mit Kyoto entlang der Pazifikküste. Nicht weniger als 146 Adelsfamilien nutzten diese Route für ihre obligatorischen Reisen zur Hauptstadt. Der alternative Nakasendō, die »Straße durch die zentralen Berge«, war mit 534 Kilometern zwar länger und führte durch 69 Stationen, galt aber als sicherer vor den verheerenden Überschwemmungen, die regelmäßig die Küstenroute heimsuchten.

Diese Straßen waren keine primitiven Trampelpfade. Mit einer Standardbreite von 5,4 bis 7,2 Metern – in Stadtnähe sogar bis zu 9 Metern – waren sie sorgfältig gepflegt. Alle 3,9 Kilometer markierte ein »ichirizuka«, ein Entfernungsstein, den zurückgelegten Weg. Kiefern und Zedern säumten die Routen und spendeten den Reisenden Schatten. Die Oberfläche bestand aus verdichtetem Kies und Sand, in bergigen Regionen wie Hakone sogar aus kunstvoll verlegtem Steinpflaster. Wer sie sehen will, schaut sich die meisterhaften Ukiyo-e Farbholzschnitte an – siehe weiter unten.

Auf der Suruga-Straße –
selbst die Orangenblüten
duften nach Tee.

Matsuo Bashō (1644–1694)

Die Kunst des Gehens: 40 Kilometer am Tag

Professor Tanigama Hironori von der Toyo-Universität hat 39 Reisetagebücher aus Nordostjapan analysiert und dabei erstaunliche Zahlen zutage gefördert: Männer legten durchschnittlich 34,9 Kilometer pro Tag zurück, Frauen 28,6 Kilometer. Besonders ausdauernde Wanderer schafften sogar bis zu 75 Kilometer an einem einzigen Tag – eine Leistung, die selbst moderne Weitwanderer beeindrucken würde.

Für die Standardstrecke von Edo nach Kyoto bedeutete dies 13 bis 15 Tage ununterbrochenes Gehen. Doch viele Reisen waren weitaus länger. Ein dokumentierter Fall zeigt eine 86-tägige Rundreise von Nordostjapan durch die heiligen Stätten von Ise, über die Insel Shikoku bis in die Chūgoku-Region – insgesamt 2.400 Kilometer zu Fuß.

Das wichtigste Ausrüstungsstück waren die »waraji«, Strohsandalen, die für 15 mon pro Paar zu haben waren. Der Haken: Sie hielten kaum einen Tag. Der Bauer Tanaka Kunisaburō, dessen detaillierte Reiseabrechnung erhalten ist, gab auf seiner 86-tägigen Reise allein 746 mon für Strohsandalen aus – genug für etwa 50 Paar.

Ich decke mich zu –
die Strohsandalen von morgen
neben dem Kopfkissen.

Kobayashi Issa (1763–1828)

Reisen im alten Japan mit Haiku

Die Packliste des Edo-Wanderers

Die »Ryokō Yōjinshū«, ein Reiseratgeber aus dem Jahr 1810, listet minutiös auf, was ein kluger Reisender mit sich führen sollte. Die Liste liest sich wie eine Mischung aus praktischer Notwendigkeit und poetischer Vorbereitung:

Ein tragbares Schreibset (»yatate«) mit Pinsel und Tinte war unverzichtbar – nicht nur für Dichter, sondern für jeden, der ein Reisetagebuch führen wollte. Dazu kamen Kamm und Haaröl für die tägliche Pflege, Nadel und Faden für Reparaturen unterwegs, eine zusammenlegbare Papierlaterne mit Kerzen für nächtliche Wege, Feuerstein und Zunder zum Feuermachen, Hanfseil zum Sichern des Gepäcks, ein kleiner Spiegel und natürlich Schutzamulette für die sichere Reise.

Die Kleidung folgte einem ausgeklügelten System: Ein konischer Strohhut (»sugegasa«) schützte vor Sonne und Regen, ein Regencape (»kappa«) vor Nässe, Beinlinge (»kyahan«) und Armschützer (»tekkō«) vor Dornen und Insekten. Alles wurde nach dem »furiwake nimotsu«-System gepackt: Zwei kleine Weidenkörbe oder Stoffbündel, mit einem Seil verbunden und über die Schulter getragen, wobei das Gewicht vorne und hinten perfekt ausbalanciert sein musste.

Die Fünf Hauptstraßen (五街道 Gokaidō)

Papiere, bitte! Das Dokumentensystem

Ohne die richtigen Papiere kam im Edo-Japan niemand weit. Das »ōrai tegata«, der Reisepass, wurde vom Dorfvorsteher oder dem Familientempel ausgestellt. Es enthielt nicht nur Name und Alter, sondern auch eine detaillierte physische Beschreibung, die Heimatadresse, das Reiseziel und – besonders wichtig – den Reisezweck. Fast immer lautete dieser offiziell »Tempel- und Schreinpilgerfahrt«, selbst wenn der wahre Grund ein Geschäftstermin oder Familienbesuch war.

Eine kurze Nacht –
am Stab des Pilgers
dämmert der Morgen.

Masaoka Shiki (1867–1902)

Für Frauen galten noch strengere Regeln. Sie benötigten spezielle Checkpoint-Genehmigungen mit geradezu intimen Details: Alter, exakte Größe, Gesichtszüge, besondere Kennzeichen und sogar eine Beschreibung ihrer Kleidung. Diese Kontrollen folgten dem Prinzip »iri teppō ni de-onna« – »Verhindere Waffen, die nach Edo gelangen, und Frauen, die Edo verlassen.« Dahinter stand das Geiselsystem, bei dem die Ehefrauen und Töchter der Regionalfürsten in Edo leben mussten, um die Loyalität ihrer Männer und Väter zu sichern.

Die Ökonomie des Reisens: Ein teures Vergnügen

Das Währungssystem der Edo-Zeit war komplex: Goldmünzen (ryō), Silber nach Gewicht (monme) und Kupfermünzen (mon) zirkulierten nebeneinander mit schwankenden Wechselkursen. Um 1700 entsprach 1 ryō etwa 4.000 mon, gegen Ende der Periode waren es bereits über 8.000 mon.

Der bereits erwähnte Bauer Tanaka Kunisaburō führte penibel Buch über seine Ausgaben: Seine 86-tägige Reise kostete ihn insgesamt 35.771 mon. Die größten Posten waren Unterkunft (44%), Verpflegung (20%) und Transport (13%). Nach heutiger Kaufkraft entspricht dies etwa 12.000 bis 15.000 US-Dollar – für einen einfachen Bauern eine gewaltige Summe.

Im Vergleich dazu verschlang eine einzige Reise eines Regionalfürsten astronomische Summen. Die Maeda-Familie der Kaga-Domäne benötigte 1808 für die einfache Strecke von Edo nach Kanazawa etwa 5.500 ryō – nach heutigem Wert ungefähr 4 Millionen US-Dollar. Der Sakai-Familie ging auf halber Strecke in Fukushima buchstäblich das Geld aus.

Die Preise unterwegs waren moderat, aber sie summierten sich: Eine Schale Soba oder Udon kostete 16 mon in der Stadt, auf dem Land das Doppelte. Ein Mittagessen schlug mit durchschnittlich 50 mon zu Buche, süßer Reiswein (Amazake) kostete 15 mon, Reiskuchen (Mochi) ebenfalls.

Drei Klassen von Unterkünften

Das Übernachtungssystem war streng hierarchisch gegliedert in drei Kategorien, die den sozialen Status der Reisenden widerspiegelten.

Honjin: Paläste für die Elite

Die »honjin« waren keine kommerziellen Gasthäuser, sondern Privatresidenzen lokaler Eliten, die vom Shōgunat für hochrangige Gäste bestimmt wurden. Mit durchschnittlich 660 Quadratmetern Gebäudefläche boten sie fürstlichen Komfort. Nur Regionalfürsten, Hofadelige und hohe Beamte durften hier übernachten, und immer nur eine Partei zur Zeit.

Reisen im alten Japan mit Haiku

Das erhaltene Kusatsu-juku Honjin in der Präfektur Shiga vermittelt einen Eindruck dieser Pracht: 1.706 Quadratmeter Gebäudefläche, 39 Tatami-Räume, formale Gärten und eine Küche mit fünf Herden für die Großküche. Die 2019 entdeckten 14.000 historischen Dokumente belegen illustre Gäste: den tragischen Helden Asano Naganori (1699), seinen Widersacher Kira Yoshinaka (1699-1701), Prinzessin Kazunomiya (1861) und sogar Mitglieder der legendären Shinsengumi, einschließlich des berüchtigten Hijikata Toshizō (1865).

Waki-honjin: Die zweite Wahl

Die »waki-honjin« entstanden als Ausweichmöglichkeit, wenn das Haupt-honjin belegt war. Sie boten ähnlichen Komfort, waren aber oft zweistöckig gebaut und nahmen auch wohlhabende Kaufleute auf – gegen entsprechende Bezahlung.

Hatagoya: Gasthäuser für das Volk

Die »hatagoya« waren die eigentlichen kommerziellen Gasthäuser, in denen 80-90% aller Reisenden übernachteten. Mit 100 bis 200 Zimmern in größeren Stationen boten sie einfache, aber ausreichende Unterkunft. Der Standard war bescheiden: Gemeinschaftsräume mit Tatami-Matten, getrennt durch bewegliche Papierwände. Privatsphäre war ein Luxus, den sich nur wenige leisten konnten.

Die Dichter unterwegs: Von Bashō bis Santōka

Matsuo Bashō: Der Wegbereiter

Bashō (1644-1694) machte die Reise zur Kunstform. Sein berühmtestes Werk, Oku no Hosomichi (Der schmale Pfad ins Hinterland), dokumentiert seine 2.400 Kilometer lange, 156-tägige Wanderung durch Nordjapan im Jahr 1689. Was oft übersehen wird: Dies war nur eine von vielen Reisen. Zwischen 1684 und 1694 unternahm er fünf große Wanderungen, verbrachte insgesamt 992 Tage – fast drei Jahre – auf der Straße.

Ein Reisfeld bepflanzt –
ich gehe,
die Weide bleibt.

Yosa Buson: Der malende Wanderer

Buson (1716-1784) unterschied sich von Bashō durch seinen Ansatz: Er reiste, um zu malen und zu dichten. Nach dem Tod seines Lehrers 1742 begann er eine zehnjährige Wanderschaft durch Nord- und Ostjapan. Seine Reisewerke wie »Shin-Hanatsumi« kombinieren Prosa, Haiku und Malerei zu einem Gesamtkunstwerk.

Ein typisches Buson-Haiku fängt die Melancholie der Reise ein:

Einsam im Geäst
rastet der Mond –
die Dreizehnte Nacht.

Kobayashi Issa: Der Chronist des Alltags

Issa (1763-1828) reiste aus Notwendigkeit. Mit 15 Jahren (nach anderen Quellen 14) nach Edo geschickt, kehrte er 1791 mit 29 Jahren erstmals kurz in seine Heimat zurück. Seine »Kansei Sannen Kikō« (Reisetagebuch des dritten Jahres der Kansei-Ära, 1791) dokumentiert seine erste größere Wanderung als Haiku-Dichter. Weitere bedeutende Reisewerke sind »Tabishiui« und »Saraba Kasa« aus seiner intensiven Wanderzeit zwischen seinem 30. und 36. Lebensjahr.

Als etablierter Haiku-Lehrer reiste Issa später durch Japan und besuchte seine zahlreichen Schüler. Nach seinem endgültigen Rückzug nach Kashiwabara 1812 leitete er einen Kreis von Anhängern, die so ergeben waren, dass sie drei Jahre nach seinem Tod ein Steinmonument mit seinem berühmten »Kiefernschatten«-Haiku errichteten. Seine Reisegedichte dokumentieren minutiöse Beobachtungen des Alltagslebens: die Qualität der Herbergen, den Preis des Essens, die Eigenarten der Menschen, aber auch seine tiefe Empathie für alle Lebewesen – von Fröschen über Fliegen bis zu Schnecken.

Auf dem Strohlager –
Kirschblüten wecken
meine Fußsohlen auf.

Die Moderne: Shiki, Hekigotō und Santōka

Mit der Meiji-Restauration 1868 änderte sich Japan radikal, aber die Tradition der dichtenden Wanderer lebte fort. Masaoka Shiki (1867-1902) kritisierte in seinem Essay »Die Reise der Reisen der Reisen« den modernen Komfort als authentizitätslos. Er forderte ein »wahres Reisen« durch Gehen und Härte.

Kawahigashi Hekigotō (1873-1937) war vielleicht der systematischste Wanderer. Seine erste große Reise dauerte vom 6. August 1906 bis 13. Dezember 1907 – 1 Jahr und 128 Tage, in denen er »dreitausend ri« (etwa 12.000 Kilometer) zurücklegte, um seine »Haiku der neuen Tendenz« zu verbreiten.

Abschied unterm Mond –
der Sake ist kalt
und stark.

Am radikalsten war Taneda Santōka (1882-1940). Ab 1925 lebte er als wandernder Bettelmönch, nur mit einer eisernen Bettelschale ausgestattet. Seine Haiku brechen mit allen Konventionen.

es regnet,
ich werde nass –
ich gehe

Das System hinter der Romantik

Was diese historischen Dokumente offenbaren, ist ein Reisesystem von erstaunlicher Komplexität und Effizienz. Die gut gewartete Infrastruktur, das standardisierte Dokumentationssystem und die etablierte Serviceindustrie machten Reisen für breite Bevölkerungsschichten möglich – wenn auch zu einem hohen Preis.

Die Sparvereine (»kō«) ermöglichten es selbst einfachen Bauern, einmal im Leben die große Pilgerfahrt nach Ise anzutreten. Mitglieder zahlten jahrelang in einen gemeinsamen Topf ein, aus dem dann die Reise eines Mitglieds finanziert wurde – eine Art frühe Reiseversicherung.

Reisen im alten Japan mit Haiku

Die Straßen in der Kunst: Ukiyo-e Farbholzschnitte

Die Reiserouten der Edo-Zeit inspirierten nicht nur Dichter, sondern auch die großen Meister des Farbholzschnitts. Katsushika Hokusais »36 Ansichten des Berges Fuji« (1831-1833) und vor allem Utagawa Hiroshiges legendäre Serie »Die 53 Stationen des Tōkaidō« (1833-1834) schufen visuelle Ikonen, die bis heute unser Bild vom alten Japan prägen.

Hiroshige selbst unternahm 1832 die Reise auf dem Tōkaidō als Teil einer offiziellen Delegation – er erlebte also genau jene Strapazen, die er später in seinen Holzschnitten verewigte. Seine 55 Drucke (53 Stationen plus Anfangs- und Endpunkt) zeigen nicht nur malerische Landschaften, sondern auch den Alltag des Reisens: erschöpfte Träger im strömenden Regen, frierende Wanderer im Schnee, Reisende beim Überqueren gefährlicher Flüsse auf den Schultern von Trägern. Alle sind zu sehen in der Wikipedia

Der erste Winterregen –
auch der Affe will wohl
einen kleinen Regenmantel.

Matsuo Bashō

Was diese »ukiyo-e« (Bilder der fließenden Welt) so wertvoll macht, ist ihre dokumentarische Genauigkeit bei aller künstlerischen Freiheit. Hiroshige zeigt die unterschiedlichen Gasthäuser, die Teehaus-Mädchen, die den Reisenden warmen Tee servieren, die Pilgerscharen auf dem Weg nach Ise, die Lastenträger mit ihren unmöglichen Bürden. In »Hakone: Der See« sehen wir die steilen Bergpfade, die selbst geübte Wanderer an ihre Grenzen brachten. In »Kuwana: Die Sieben-Ri-Fähre« erleben wir die gefährliche Überfahrt über die Ise-Bucht, bei der viele Reisende seekrank wurden.

Andere Künstler widmeten sich weiteren Routen: Keisai Eisens 69 Stationen des Kisokaidō (dem Nakasendō) zeigt die beschwerlichere Bergstraße mit ihren einsamen Pässen und rustikalen Bergdörfern. Hokusais Fuji-Serie wiederum fängt den heiligen Berg aus verschiedenen Punkten entlang der Hauptstraßen ein – der Fuji als ewiger Begleiter und Orientierungspunkt der Reisenden.

Diese Holzschnitte waren selbst Massenware für Reisende – als Souvenirs, Reiseführer und Erinnerungen. Ein kompletter Satz von Hiroshiges Tōkaidō-Serie kostete etwa so viel wie eine Schale Nudelsuppe pro Blatt, erschwinglich genug für normale Bürger. So entstanden Kunstwerke, die gleichzeitig Reisedokumentation, Werbung und kollektive Erinnerung waren. Heute ermöglichen sie uns einen einzigartigen Blick auf die Realität des Reisens: Die schweißtreibenden Anstiege, die pittoresken Rastplätze, die Furcht vor Räubern in einsamen Gegenden und die Erleichterung beim Erreichen der nächsten Station – all das, was auch die Haiku-Dichter in Worte zu fassen suchten.

Was bleibt: Die Verschmelzung von Härte und Poesie

Die Haiku-Reiseliteratur ist mehr als nur Dichtung – sie ist ein einzigartiges historisches Zeugnis. Von Busons retrospektiven Erinnerungen über Issas akribische Tageschroniken bis zu Santōkas existenzieller Bettelpilgerfahrt dokumentiert sie die tatsächlichen Bedingungen des Reisens über drei Jahrhunderte.

Diese Dichter-Wanderer schufen eine Tradition, die konkrete Beobachtungen – über schlammige Straßen, harte Tatami-Matten, den Preis einer Schale Nudeln – mit poetischer Reflexion und philosophischer Tiefe verbindet. Sie zeigen uns, dass die wahre Romantik des Reisens nicht in der Verklärung der Vergangenheit liegt, sondern in der bewussten Annahme seiner Härten.

massugu na michi de samishii

schnurgerade die Straße –
nur Einsamkeit

Taneda Santōka (1882–1940)

Wenn wir heute in klimatisierten Zügen durch Japan fahren, in wenigen Stunden Strecken zurücklegen, für die Bashō Wochen brauchte, sollten wir uns daran erinnern: Die großen Haiku entstanden nicht trotz, sondern wegen der Mühsal der Reise. Jeder verschlissene Strohschuh, jede durchnässte Nacht, jeder steile Bergpass wurde zu einem Baustein der Poesie.

Die 40 Kilometer, die ein Edo-Wanderer täglich zurücklegte, mögen uns heute als Tortur erscheinen. Aber für die Dichter jener Zeit war es die einzige Geschwindigkeit, in der sich die Welt wirklich erfahren ließ – Schritt für Schritt, Haiku für Haiku, auf dem schmalen Pfad zwischen Alltag und Ewigkeit.

Quellen

Die Grundlage dieses Artikels bilden japanische Originalquellen aus Museen, Archiven und akademischen Institutionen, darunter die Reiseratgeber der Edo-Zeit, erhaltene Reisetagebücher, Währungsforschungen der Bank von Japan sowie die gesammelten Werke der Haiku-Meister in modernen kritischen Editionen. Besonders wertvoll waren die 2019 entdeckten 14.000 historischen Dokumente des Kusatsu-juku Honjin, die erstmals detaillierte Einblicke in die Realität des historischen Reisens ermöglichen.

Übersetzerhinweis

Wie ich übersetze
Die Übersetzungen stammen von Lenny Löwenstern. Jede Zeile wurde sorgsam bearbeitet – nicht automatisch, sondern mit viel Sprachgefühl und modernen Werkzeugen. Ziel war, das Wesen der japanischen Originale zu bewahren – in einer Weise, die heute berührt.
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